Rechte Älterer

Internationale Rechte Älterer

2010 hat die UN-Generalversammlung - auf Betreiben von Argentinien und Brasilien - eine Arbeitsgruppe zur Stärkung der Menschenrechte Älterer (Open Ended Working Group on Ageing, OEWG-A) ins Leben gerufen. Das Ziel ist, die Sichtbarkeit älterer Menschen zu verbessern, die Stärkung ihrer Rechte voranzutreiben und diese Rechte klarer zu fassen. Menschenrechtsexpert*innen hatten zuvor mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass ältere Menschen im internationalen Menschenrechtsschutzsystem bislang kaum Berücksichtigung fänden und daher ein neuer Fokus erforderlich sei. Das Mandat der UN-Arbeitsgruppe ist die Überprüfung und Diskussion des bestehenden menschenrechtlichen Rahmens, das Identifizieren und Schließen von Schutzlücken sowie weiterführende Überlegungen bezüglich eines zukünftigen menschenrechtlichen Instrumentes zum Schutz Älterer.

Im Frühjahr 2022 fand die zwölfte Sitzung statt. Die Teilnehmer*innen haben seit Gründung der UN-Arbeitsgruppe viele Lebensbereiche und menschenrechtliche Gefährdungslagen Älterer ausführlich diskutiert, beispielsweise Altersdiskriminierung, Pflege und Gewalt gegen Ältere, soziale Sicherheit, Gesundheit und Autonomie.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte nimmt an den Arbeitsgruppensitzungen der Open Ended Working Group on Ageing seit Beginn aktiv teil. Auf nationaler Ebene bereitet das Institut die jeweiligen Arbeitsgruppensitzungen der UN mit Fachgesprächen vor.

Zentrale Anliegen

  • Eine eigene UN-Konvention bietet den besten Schutz der Menschenrechte Älterer.
  • Ältere müssen mehr Beachtung finden im Menschenrechtsdiskurs weltweit.
  • Die Staaten Europas müssen sich mehr für die Stärkung der Menschenrechte Älterer einsetzen.

Schutzlücken im internationalen Menschenrechtsschutzsystem und die Vorteile einer UN-Konvention für die Rechte Älterer

Was ist mit Lücken im Menschenrechtsschutz der Rechte Älterer gemeint?

Zunächst einmal sind zwei unterschiedliche Kategorien von Lücken zu unterscheiden: normative Schutzlücken und Lücken in der Umsetzung bestehender Rechte. Normative Schutzlücken entstehen, weil Rechte in den UN-Menschenrechtsabkommen nicht erwähnt oder festgeschrieben sind. So gibt es etwa kein UN-Dokument, in dem die Rechte älterer Menschen spezifisch geregelt und zusammengeführt sind. Ihre Rechte sind aber auch nicht durch andere UN-Konventionen ausreichend abgedeckt. Denn bestimmte Lebensrealitäten, die besonders einschneidende Auswirkungen auf ältere Menschen haben, spielten zum Zeitpunkt der Formulierung von Menschenrechtsabkommen noch keine Rolle, etwa der Klimawandel oder die Digitalisierung. Insofern finden sie auch keine Entsprechung in den Normen etwa des UN-Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UN-Sozialpakt) und des UN-Pakts über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt). Auch in Hinblick auf die praktische Umsetzung des Menschenrechtsschutzes älterer Menschen bestehen aus Sicht des Deutschen Instituts für Menschenrechte in einzelnen Bereichen signifikante Lücken. So hat die COVID-19 Pandemie die Probleme in der praktischen Umsetzung des Menschenrechtsschutzes Älterer deutlich aufgezeigt.1

Welche konkreten normativen Schutzlücken für die Rechte Älterer gibt es?

Aus Sicht des Deutschen Instituts für Menschenrechte bestehen Lücken zum Beispiel in folgenden Bereichen:

Gleichheit und Nichtdiskriminierung

In den internationalen Menschenrechtsabkommen ist Alter nicht explizit als Diskriminierungsmerkmal verankert. Davon gibt es nur zwei Ausnahmen: die UN-Wanderarbeitnehmer*innenkonvention2 und die UN-Behindertenrechtskonvention. Für die große Mehrheit älterer Menschen besteht somit eine normative Lücke. Der Diskriminierungsschutz wegen des Alters im UN-Sozialpakt und im UN-Zivilpakt könnte theoretisch über die erweiterte Auslegung „other status“ (sonstiger Status)3 abgedeckt werden. Aber die Erfahrungen mit dem Merkmal „Behinderung“ zeigen, dass sich auf diesem Wege kein angemessener Schutz erreichen lässt. Die Tatsache, dass die bestehenden UN-Menschenrechtsabkommen das Merkmal Behinderung konzeptionell nicht aufgenommen hatten, war ein wichtiges Argument für das Entstehen einer Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die bestehenden UN-Menschenrechtsabkommen sind nicht darauf angelegt, die Verletzung der Rechte Älterer adäquat zu adressieren und die UN-Vertragsorgane haben weder Kapazitäten noch Expertise, die Rechte älterer Menschen in adäquater Weise aufzugreifen.

Ageism

Derzeit gibt es keine ausdrücklichen, normierten Garantien im bestehenden Menschenrechtsschutz, um gegen Verletzungen aufgrund von Ageism vorzugehen; deshalb gibt es auch keine ausdrückliche Verpflichtung der Staaten, aktive Maßnahmen zur Beseitigung von Ageism und seinen diskriminierenden Folgen zu ergreifen.4

Palliativversorgung- und -pflege5

Artikel 12 UN-Sozialpakt, der das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit regelt, erwähnt im Text weder Langzeitpflege noch Palliativpflege.

Lebenslanges Lernen – Digitalisierung

Artikel 13 des UN-Sozialpaktes regelt das Recht auf Bildung und hat einen Fokus auf Schulbildung. Die allgemeinen Garantien des Rechts auf Bildung hinsichtlich der uneingeschränkten Teilnahme an allgemeiner und beruflicher Bildung, lebenslangem Lernen und dem Aufbau von Fähigkeiten über Fortbildungen und Schulungen („capacity building“) sind weit davon entfernt, sicherzustellen, dass ältere Menschen das Recht auf Bildung in vollem Umfang wahrnehmen können. Zum Beispiel verweist keine der Normen explizit auf die Bedeutung des generationenübergreifenden Lernens – denn ältere Menschen sind nicht nur Empfänger*innen von Wissen oder Lernende neuer Fähigkeiten, sondern auch Übermittler*innen von Wissen, Erfahrung und Kultur. Beim Recht auf allgemeine und berufliche Bildung, lebenslanges Lernen und „capacity building“ zeigt sich deutlich, dass es einer detaillierten Normierung des Rechts bedarf, um den Bedürfnissen und Situationen älterer Menschen Rechnung zu tragen.6

Gewaltschutz

Die allgemeinen Bestimmungen der wichtigsten UN-Menschenrechtsabkommen können für einige Formen von Gewalt, Vernachlässigung, Ausbeutung und Missbrauch auch für ältere Menschen zur Anwendung kommen, dennoch gibt es keinen ausdrücklichen Hinweis auf die spezifische Situation älterer Menschen.7 Einer der Hauptbereiche, in denen der bestehende normative Rahmen Mängel aufweist, ist die finanzielle Ausbeutung und der Missbrauch älterer Menschen. Betrug zu Lasten älterer Menschen und finanzielle Ausbeutung und Missbrauch durch Familienmitglieder sind weit verbreitet. Eine spezifische neue Bestimmung, die für alle Formen von Gewalt, Vernachlässigung, Ausbeutung und Missbrauch von und gegen ältere Menschen gelten würde, könnte diese Lücken schließen.

Autonomie und selbstbestimmtes Leben

Viele Aspekte von Autonomie und selbstbestimmtem Leben werden weder generell noch explizit für ältere Menschen in bestehenden UN-Menschenrechtsabkommen aufgegriffen.8 Die UN-Behindertenrechtskonvention deckt für diesen Bereich ältere Menschen mit Behinderungen ab und hat insofern viel zur Ausgestaltung der Rechte beigetragen. Sie bleibt aber in ihrem Anwendungsbereich limitiert, sodass auch hier eine normative Lücke identifiziert werden kann. Dieses Defizit wurde bereits in der OEWG-A diskutiert und ein Mehrwert für ein neues normatives Regelwerk festgestellt.9

Worin besteht der Mehrwert einer neu zu schaffenden UN-Konvention?

Eine Konvention könnte die folgenden Funktionen erfüllen:

  • Die Konvention würde eine konzeptionelle Lücke im Menschenrechtsschutz schließen, da die bestehenden Konventionen Alter als soziales Konstrukt nicht aufgenommen haben. Eine neue Konvention könnte zu einem Paradigmenwechsel führen, hin zu einem Verständnis von älteren Menschen als Rechtsträger*innen und weg von der Behandlung als bloße Hilfeempfänger*innen.
  • Die Konvention würde alle Rechte für die Zielgruppe Älterer in einem rechtlich bindenden Vertrag vereinen und es damit den Staaten erleichtern, ihre nationalen Gesetze daran auszurichten, und den Betroffenen, ihre Rechte einzufordern.
  • Die Konvention würde zudem neue Rechte in Bereichen, die bei der Formulierung der bestehenden Menschenrechtskonventionen nicht bekannt waren – wie Digitalisierung und Klimawandel –, enthalten. Sie würde auch Phänomene aufgreifen, die zwar bereits vorhanden waren, aber für die kein Bewusstsein herrschte – wie Altersdiskriminierung und Ageism.
  • Die Konvention würde bestehende Rechte (UN-Sozialpakt, UN-Zivilpakt, UN-Behindertenrechtskonvention, UN-Frauenrechtskonvention) für die Gruppe der älteren Menschen systematisch zusammenführen. Das würde erlauben, die allgemein formulierten Rechte an die Lebenssituation älterer Menschen und ihre Bedarfe anzupassen und damit die Durchsetzbarkeit der Rechte erhöhen.
  • Durch eine neue Konvention könnte ein Vertragsmechanismus etabliert werden, der zur Sichtbarkeit der Rechte und zu ihrer Durchsetzbarkeit beiträgt. Durch eine smarte Ausgestaltung dieses Mechanismus könnte der Umfang der Berichtspflicht der Staaten auf ein Minimum reduziert werden.

Insgesamt würde mit einer Konvention die Sichtbarkeit der Gruppe – die weltweit am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe – gefördert, und zwar gerade in den zahlreichen Bereichen, die bislang unterbelichtet sind.

Hintergrund

Stand der Diskussion in der OEWG-A

Die Open-Ended Working Group on Ageing (OEWGA) wurde 2010 von der UN-Generalversammlung eingesetzt. Sie hat die Aufgabe, sich mit dem bestehenden internationalen Rahmen für die Menschenrechte älterer Menschen zu befassen, mögliche Schutzlücken für Ältere im bestehenden Menschenrechtsschutzsystem zu ermitteln sowie Vorschläge zu unterbreiten, wie diese geschlossen werden können. Das kann gegebenenfalls auch durch Prüfung der Schaffung weiterer Instrumente erfolgen.10 Die Sitzungen finden einmal jährlich statt.

In der 13. Sitzung 2023 wurde entschieden, Fragebogen an alle Mitgliedstaaten zu senden und zu fragen, welche Schutzlücken im bestehenden internationalen Menschenrechtsschutzsystem für die Menschenrechte älterer Menschen bestehen. Anhand der Antworten sollten die Ko-Faszilatoren der Arbeitsgruppe (Brasilien und Portugal) auf der nächsten Sitzung ein mit den beteiligten Staaten abgestimmtes Dokument vorlegen, das für die nächsten konkreten Schritte der OEWG-A entscheidend sein wird. In Frage steht zum Beispiel, ob eine Arbeitsgruppe für den Entwurf einer UN-Konvention eingerichtet werden könnte.

Auf der Homepage der OEWG-A11 können die Antworten verschiedener Staaten eingesehen werden. Deutschland macht deutlich, dass es keine normativen Schutzlücken sieht und auch keinen normativen Mehrwert durch eine UN-Konvention für die rechte Älterer erkennen kann.

Quellenachweise

1 Büro der Hochkommissarin für Menschenrechte (OHCHR) (2021): Aktualisierung der 2021 durchgeführten analytischen Ergebnisstudie zu den normativen Standards im internationalen Menschenrecht in Bezug auf ältere Menschen. Arbeitspapier des Büros der Hochkommissarin für Menschenrechte, März 2021, Ziff. 54f., online (PDF, 923 KB).

2 Deutschland hat die Wanderarbeitnehmer*innenkonvention nicht ratifiziert.

3 Siehe Art. 2 Abs. 2 UN-Sozialpakt und Art. 2 Abs. 2 UN-Zivilpakt.

4 OHCHR (2021), a.a.O., Ziff. 37ff.

5 OHCHR (2021), a.a.O., Ziff. 148.

6 OHCHR (2021), a.a.O., Ziff 182.

7 OHCHR (2021), a.a.O., Ziff 123; UN Human Rights Council (2023): Violence against and abuse and neglect of older persons, Report of the Independent Expert on the enjoyment of all human rights by older persons, UN-Doc. A/HRC/54/26, 7.8.2023; online.

8 OHCHR (2021), a.a.O., Ziff. 119.

9 OHCHR (2021), a.a.O., Ziff. 18.

10 Website of „The Open-Ended Working Group on Ageing“.

11 Mitgliedsstaaten der  „The Open-Ended Working Group on Ageing“

FAQ

(Stand 12.12.2023)

Sitzung der UN Open-ended Working Group on Ageing

13. Sitzung: 03.-06.04.2023

Die 13. Sitzung der UN Open-ended Working Group on Ageing (OEWG-A, offene Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rechte älterer Menschen) fand vom 3. bis 6. April 2023 im Hauptgebäude der Vereinten Nationen in New York statt. Die Themen der Sitzung waren das „Recht auf Gesundheit und Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen“ sowie „Soziale Inklusion älterer Menschen.“ Die argentinische Botschafterin María del Carmen Squeff wurde dabei als Vorsitzende der OEWG-A bestätigt. Die Unabhängige Expertin der Vereinten Nationen für den Genuss aller Menschenrechte durch ältere Menschen, Claudia Mahler, das Deutsche Institut für Menschenrechte und andere nationale Menschenrechtsinstitutionen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter HelpAge Deutschland und die BAGSO, haben an den Diskussionen aktiv teilgenommen.

Wirtschaftliche Sicherheit und Beitrag älterer Menschen zu den SDGs

Als erstes befassten sich die Teilnehmenden mit den normativen Inhalten der Themen der zwölften Sitzung, „Beiträge älterer Menschen zu den UN-Nachhaltigkeitszielen“ und die „Wirtschaftliche Sicherheit älterer Menschen“. Es wurde darauf hingewiesen, dass konkrete Standards für die Beteiligung älterer Menschen an einer nachhaltigen Entwicklung in nationalen, regionalen und internationalen Rahmenwerken fehlen. Ageism und Altersdiskriminierung wurde als Haupthindernis für die Beteiligung älterer Menschen benannt. Im Rahmen des Schwerpunkts „Wirtschaftliche Sicherheit“ wurde betont, dass das Recht auf sozialen Schutz, das Recht auf Arbeit und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard für viele ältere Menschen zunehmend unerreichbar wird und ihre wirtschaftliche Sicherheit gefährdet ist. Faktoren wie Armut, Konflikte, Naturkatastrophen, steigende Kosten und der Klimawandel beeinflussen die wirtschaftliche Sicherheit ältere Menschen weltweit. Die Redner betonten die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass ältere Menschen ohne Diskriminierung Zugang zu Darlehen und Unterstützungsdiensten erhalten können.

Inhaltliche Themen

Am Nachmittag des zweiten Tages erfolgte eine Diskussion über das „Recht auf Gesundheit und Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen“, das erste Kernthema der 13. Sitzung. Ein vom OHCHR erstelltes und präsentiertes Hintergrundpapier (A/AC.278/2023/CRP.3) unterstrich, dass das Fehlen internationaler Standards für das Recht auf Gesundheit älterer Menschen zu systemischen Schutzlücken geführt hat. Viele ältere Menschen sehen sich bei der Wahrnehmung dieses Rechts mit Altersdiskriminierung konfrontiert. Weitere Hindernisse sind hohe Selbstbeteiligungskosten für Gesundheitsdienste, Schwierigkeiten beim physischen Zugang zu Dienstleistungen und ein Mangel an ausreichend ausgebildetem Gesundheitspersonal. Es wurde betont, dass die Gesundheitsbedürfnisse älterer Menschen vielfältig sind, von nicht übertragbaren Krankheiten bis hin zu Mobilitätsverlust und Sinnesbeeinträchtigungen. Die Förderung von häuslicher Pflege und altersgerechten Wohnunterstützungsleistungen, wurde als wichtiges Ziel hervorgehoben, um älteren Menschen die Möglichkeit zu geben, ein unabhängiges Leben zu führen.

Im Anschluss wurde das zweite Kernthema der Sitzung „Soziale Inklusion älterer Menschen“ diskutiert. Dabei wurde festgestellt, dass Benachteiligungen wie Armut und Hunger, Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, mangelnde finanzielle Ressourcen und begrenzter sozialer Schutz Vorboten sozialer Ausgrenzung seien. Es wurde darauf hingewiesen, dass soziale Ausgrenzung oft mit schlechter Gesundheit, Verlust des Selbstwertgefühls, Einsamkeit, hohen Selbstmordraten und vorzeitigen Todesfällen bei älteren Bevölkerungsgruppen einhergeht. Inklusionshindernisse wie Stigmatisierung und Altersdiskriminierung, Missbrauch und Vernachlässigung müssten vollständig beseitigt werden.

Zusätzlich wurde der Bericht des Multi-Stakeholder-Treffens vom 29. und 30. August 2022 in Genf vom Hochkommissariat für Menschenrecht eingereicht (A/HRC/52/49). Dabei wurden die erzielten Fortschritte im Schutz der Rechte älterer Menschen bilanziert und die verbliebenden Herausforderungen, zum Beispiel die Digitalisierung und ihre Auswirkungen, benannt.

Wie es weiter geht

Abschließend wurde die „Discussion on the way forward“ geführt. Eine Gruppe von Mitgliedstaaten stellte hierfür einen Beschlussentwurf (A/AC.278/2023/L.1/Rev.1) vor, welcher die Vorsitzende der Arbeitsgruppe dazu auffordert, zwei Ko-Faszillatoren zu benennen. Diese beiden Länder sollten beauftragt werden, die bestehenden Schutzlücken im internationalen Menschenrechtssystem in Bezug auf ältere Menschen zu identifizieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie diese Lücken am effektivsten geschlossen werden können. Dazu sollen zwischen der 13. und 14. Sitzung der OEWG-A offene und transparente Treffen der UN-Mitgliedstaaten unter Beteiligung von nationalen Menschenrechtsinstitutionen und NGOs sowie der Unabhängigen Expertin der Vereinten Nationen für den Genuss aller Menschenrechte durch ältere Menschen stattfinden. Die Ergebnisse dieser Treffen sollen der OEWG-A während ihrer 14. Sitzung im Mai 2024 Empfehlungen liefern, um das internationale Menschenrechtssystem besser auf den Schutz der Rechte älterer Menschen auszurichten. Der Vorschlag stieß auf breite Zustimmung. Brasilien und Portugal wurden als die beiden Länder ausgewählt, die diese Rolle übernehmen werden.

Für die 14. Sitzung der Arbeitsgruppe im Mai 2024 wurden die Themen „Partizipation älterer Menschen im öffentlichen Leben und an Entscheidungsprozessen“ und „Zugänglichkeit, Infrastruktur und Lebensumfeld (einschließlich Verkehr, Wohnen und Zugang)“ festgelegt.

12. Sitzung: 11.–14.04.2022

Vom 11. bis 14. April 2022 fand die 12. Sitzung der Open-ended Working Group on Ageing (OEWGA, offene Arbeitsgruppe zur Stärkung der Menschenrechte Älterer) im UN-Hauptquartier in New York statt. Teilnehmende konnten sich persönlich vor Ort beteiligen oder sich virtuell zuschalten. Themen der Sitzung waren die „wirtschaftliche Sicherheit älterer Menschen“ sowie „Beiträge älterer Menschen zu den UN-Nachhaltigkeitszielen“. Auch die normativen Inhalte der zwei letztjährigen Themen „Recht auf Arbeit und Zugang zum Arbeitsmarkt“ und „Zugang zum Recht“ waren Teil der Diskussion.

Auf der eröffnenden Sitzung am 11. April wurde die wegen einer Corona-Erkrankung verhinderte argentinische Botschafterin María del Carmen Squeff zur Vorsitzenden der OEWGA sowie die stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Während der „General discussion“ am ersten Tag konnten Vertreter*innen der Mitgliedstaaten, zivilgesellschaftlichen Organisationen (NGOs) und Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (NHRI) Grußbotschaften und Statementsvortragen. Neben zahlreichen NGOs und NHRIs haben sich auch einige Staaten deutlich für das Entwerfen einer internationalen Konvention für die Rechte Älterer ausgesprochen.

Inhaltliche Themen

Am Vormittag des zweiten Tages wurde unter Beteiligung der Unabhängigen Expertin für den Genuss aller Menschenrechte durch ältere Menschen, Claudia Mahler, über das Recht auf Arbeit sowie den Zugang zum Recht diskutiert. Anschließend wurden in der Nebenveranstaltung „Older Women Rock The World“ eindrucksvolle Geschichten von älteren Frauen aus der ganzen Welt vorgestellt, die sich auf Partizipation und positive Beiträge älterer Frauen an der Gesellschaft fokussierten. Am Nachmittag wurden wiederum unter der Beteiligung der Unabhängigen Expertin sowie Matthias von Schwanenflügel, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die Beiträge älterer Menschen zu den UN-Nachhaltigkeitszielen thematisiert.

Der dritte Tag begann mit der Diskussion über die wirtschaftliche Sicherheit älterer Personen, an der sich auch das Deutsche Institut für Menschenrechte mit einem Redebeitrag beteiligt hat. Am Nachmittag wurde über die Förderung und den Schutz der Rechte Älterer in Zeiten der Corona-Pandemie diskutiert. NHRIs und NGOs aus der ganzen Welt, darunter HelpAge Deutschland sowie Heidrun Mollenkopf von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO), haben sich breit an den inhaltlichen Diskussionen beteiligt und immer wieder aufgezeigt, dass es Schutzlücken in Bezug auf ältere Menschen im internationalen Menschenrechtssystem gibt, die nur durch eine eigene Konvention für die Rechte Älterer geschlossen werden können.

Wie es weitergeht: Vorschlag von Argentinien

Die „Discussion on the way forward“ eröffnete den letzten Tag der Veranstaltung. Gleich zu Beginn wartete Argentinien mit einem besonderen Vorschlag auf: Die Gründung einer cross-regional core group, die ein auf der nächsten, 13. Sitzung der OEWGA im Frühjahr 2023 vorzugelegendes Dokument erarbeiten soll. Der in einem partizipativen Verfahren zu erstellende Bericht soll die Weichen für eine Arbeitsgruppe stellen, die wesentliche Menschenrechts-Schutzlücken in Bezug auf ältere Personen in der Zeit zwischen der 13. und 14. Sitzung erarbeiten und als Grundlage für einen späteren Text für eine Konvention dienen. Der Vorschlag stieß auf die volle Zustimmung von NGOs und NHRIs sowie auf eine breite Unterstützung diverser südamerikanischer Staaten, Deutschland, Österreich, Kanada, USA, Nigeria und Marokko. Vereinzelte Staaten, darunter Russland und Weißrussland, haben ihre Skepsis gegenüber einer solchen Kerngruppe ausgesprochen.

In der Nachmittagssitzung am letzten Tag wurden die Themen für die nächste Sitzung 2023 festgelegt: Das Recht auf Gesundheit und den Zugang zu gesundheitlichen Leistungen sowie soziale Inklusion. Während letztes Jahr in einem eigenen Side Event eine Studie des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) vorgestellt worden war, wurde auf der diesjährigen Sitzung ein kurz zuvor veröffentlichteter OHCHR-Bericht über normative Standards und Verpflichtungen im Völkerrecht in Bezug auf die Rechte Älterer (A/HRC/49/70) lediglich im Rahmen des Panels zu Corona vorgestellt. Dieser Bericht ist von großer Bedeutung, da er deutlich die Schutzlücken in Bezug auf ältere Menschen sowie die Vorteile einer internationalen Konvention für die Rechte Älterer aufzeigt.

Weitere Informationen

11. Sitzung: 29.03.–1.04.2021

Vom 29. März bis 1. April 2021 fand die 11. Sitzung der United Nations Open-ended Working Group on Ageing (Offene Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu Fragen des Alterns) statt. Hauptziel der Arbeitsgruppe ist die Erarbeitung einer Konvention für die Rechte älterer Menschen. Zudem soll sie Lücken und Themen identifizieren, wo die Rechte Älterer noch nicht ausreichend geschützt sind. Auf den einzelnen Sitzungen der Arbeitsgruppe werden Themenbereiche und Lebenssituationen vertieft und diskutiert, die die Rechte ältere Menschen betreffen.

Pandemie-bedingt konnte die 11. Sitzung nicht wie geplant im Jahr 2020 stattfinden, sondern wurde auf 2021 verschoben. Das Thema „Corona“ hat sich dann auch wie ein roter Faden durch die einzelnen Veranstaltungen gezogen – ältere Menschen waren und sind weltweit am stärksten von Covid-19 betroffen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es immer noch kein rechtsverbindliches internationales Menschenrechtsübereinkommen gibt, welches die für alle Menschen geltenden Menschenrechte auf die besondere Situation von älteren Menschen konkretisiert. Es war denn auch einhellige Meinung unter den Teilnehmenden, dass es mehr denn je zeitnah einer Konvention, für die Rechte Älterer bedarf und die Anstrengungen, eine solche unter Beteiligung älterer Menschen zu entwickeln und von den Vereinten Nationen zu verabschieden, verstärkt werden müssen.

In einem Side Event wurde ein wichtiges Dokument der Vereinten Nationen vorgestellt, das „Update to the 2012 Analytical Outcome Study on the normative standards in international human rights law“. Diese vom Büro des Hochkommissars für Menschenrechte vorgelegte Aktualisierung eines Papiers aus dem Jahre 2012 zeigt für verschiedene Lebensbereiche Älterer Lücken im bestehenden menschenrechtlichen Schutzsystem auf. Um die Arbeit während der Sitzungen voranzubringen, hat Argentinien vorgeschlagen, eine „intersessionale Arbeitsgruppe“ einzurichten. Dieser Vorstoß wurde von vielen Teilnehmenden begrüßt. Die Bildung einer solchen Unterarbeitsgruppe, die während der jährlichen Sitzungen der Arbeitsgruppe tagt und Texte zu den in dem Dokument aufgezeigten Schutzlücken vorbereitet sowie die Erarbeitung einer Konvention weiter vorantreibt, wurde allerdings nur vage beschrieben. Damit diese „Intersessional Drafting Group“ Gestalt annimmt, wollen Nicht-Regierungs-Organisationen und Nationale Menschenrechtsinstitutionen einen Entwurf hierzu vorbereiten.

Inhaltlich wurden auf der 11. Sitzung zudem die Themen Bildung, soziale Sicherheit, Arbeit sowie Zugang zum Recht diskutiert. Hier zeigte sich eine starke Partizipation von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Nationalen Menschenrechtsinstitutionen und der Unabhängigen Expertin für die Rechte Älterer. Wünschenswerte wäre eine stärkere Beteiligung von Vertreter*innen Mitgliedsstaaten gewesen. Die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe wird voraussichtlich April/Mai 2022 stattfinden. Dort wird es unter anderem um wirtschaftliche Sicherheit, Altersarmut und die Beiträge Älterer zu nachhaltiger Entwicklung gehen.

Weitere Informationen

Unabhängige*r Expert*in für die Menschenrechte Älterer

Regionale Menschenrechtsinstrumente

Auf regionaler Ebene wurden bereits bindende Konventionen zum Schutz der Menschenrechte Älterer geschaffen: im Interamerikanischen Menschenrechtsschutzsystem und im Afrikanischen Menschenrechtsschutzsystem. Der Europarat hat im Jahr 2014 nicht bindende Empfehlungen zu den Menschenrechten Älterer verabschiedet.

GANHRI-Arbeitsgruppe zu den Rechten Älterer

Die Globale Allianz der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (GANHRI) hat eine Arbeitsgruppe gegründet, um die Rechte Älterer zu fördern. Die Arbeitsgruppensitzungen finden zweimal jährlich statt

GANHRI: Working Group of Ageing

Publikationen zu diesem Thema

Ansprechpartner*in

© DIMR/B. Dietl

Dr. Claudia Mahler

Teamleitung „Rechte Älterer“

Telefon: 030 259 359 - 125

E-Mail: mahler(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Kurzbiografie Dr. Claudia Mahler

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