Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention

Bund und Länder im Vergleich

Berücksichtigt der Staat in seinen Entscheidungen die Rechte von Menschen mit Behinderungen? Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland stellt sich teilweise unübersichtlich dar. Es gibt parallel laufende Prozesse, teilweise in den 16 Bundesländern gleichzeitig. Die Monitoring-Stelle überwacht die Umsetzungsprozesse und macht sich dafür stark, dass die staatlichen Stellen die UN-BRK einhalten. Diese Seite bietet für die Themenbereiche Aktionspläne, Behindertengleichstellungsgesetze, Wahlrechtsausschlüsse, Koalitionsvereinbarungen und Gewaltschutzvorkehrungen in stationären Wohneinrichtungen einen Überblick über die Entwicklungen in Bund und Ländern.

Direkt zu den einzelnen Bereichen springen:

  1. Aktionspläne
  2. Gleichstellungsgesetze
  3. Wahlrecht
  4. Koalitionsverträge
  5. Gewaltschutzvorkehrungen in stätionären Wohneinrichtungen

1. Aktionspläne

Aktionspläne sind ein wichtiges Instrument, um die UN-Behindertenrechtskonvention in einem koordinierten, partizipativen und ressortübergreifenden Prozess umzusetzen. Alle Bundesländer sowie der Bund haben einen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK verabschiedet oder sogar fortgeschrieben.

Stand der Aktions- und Maßnahmenpläne zur Umsetzung der UN-BRK in Bund und Ländern

Bund

Baden-Württemberg

Bayern

Berlin

Brandenburg

Bremen

Hamburg

Hessen

Mecklenburg-Vorpommern

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Saarland

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Schleswig-Holstein

Thüringen

2. Gleichstellungsgesetze

Dieser Bereich wird momentan überarbeitet.

3. Wahlrecht

Bis vor wenigen Jahren durften bei Wahlen in Deutschland ca. 85 000 Menschen mit Behinderungen nicht ihre Stimme abgeben. Das betraf Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben, und Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Ein solcher Ausschluss vom Wahlrecht wurde Anfang 2019 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin wurden im Bund und in den Ländern die Wahlgesetze entsprechend geändert. Manche Bundesländer, allen voran Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, waren vorangeschritten und hatten die Wahlausschlüsse bereits seit 2016 beseitigt; Baden-Württemberg hat im Oktober 2020 als letztes Bundesland die Liste komplettiert.

Wahlrecht nach Bundesland

Bundestagswahlen

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Wahl zum Europäischen Parlament

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Baden-Württemberg

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Bayern

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Berlin

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Brandenburg

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja bei aktivem Wahlrecht, nein bei passivem Wahlrecht

Bremen

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Hamburg

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Hessen

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Mecklenburg-Vorpommern

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Niedersachsen

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Nordrhein-Westfalen

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Rheinland-Pfalz

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Saarland

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Sachsen

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Sachsen-Anhalt

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Schleswig-Holstein

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja

Thüringen

  • Wahlrecht für Personen, die eine Betreuung in allen Angelegenheiten haben: ja
  • Wahlrecht für Personen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind: ja bei aktivem Wahlrecht, nein bei passivem Wahlrecht

4. Koalitionsverträge

Berücksichtigen die Regierungen in Bund und Ländern in ihren Koalitionsvereinbarungen die Rechte von Menschen mit Behinderungen? Setzen sie sich wichtige Anliegen der UN-Behindertenrechtskonvention zum erklärten Ziel? Die folgende Übersicht vergleicht die Koalitionsverträge daraufhin, ob auf die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen in zentralen Bereichen hingewirkt wird.

Hinweis: Es handelt sich um eine Auswertung der Textdokumente und nicht um eine Bewertung der gesamten Behindertenpolitik. (Stand: Juli 2021)

Auswertung der Koalitionsvereinbarungen in Bund und Ländern: Zentrale Anliegen der UN-BRK

Wird das Vorhaben formuliert, Aktionspläne zur Umsetzung der UN-BRK zu erstellen, umzusetzen, weiterzuentwickeln oder zu evaluieren?

  • Bund: nein
  • Baden-Württemberg: ja
  • Bayern: nein
  • Berlin: ja
  • Brandenburg: ja
  • Bremen: ja
  • Hamburg: ja
  • Hessen: nein
  • Mecklenburg-Vorpommern: nein
  • Niedersachsen: ja
  • Nordrhein-Westfalen: nein
  • Rheinland-Pfalz: ja
  • Saarland: nein
  • Sachsen: ja
  • Sachsen-Anhalt: ja
  • Schlewsig-Holstein: ja
  • Thüringen: ja

Ist die Herstellung von Inklusion in jedem der drei Bereiche Wohnen, Bildung und Arbeit ein erklärtes Ziel?

Im Bereich Wohnen wurden als Indikatoren der Herstellung von Inklusion herangezogen:

1) Hilfen zur Selbstbestimmung und bedarfsgerechte Unterstützungsleistungen („Persönliches Budget“, „Persönliche Assistenz“, u. a.);

2) die Förderung inklusiver Wohnformen und die Umsetzung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“;

3) Maßnahmen zur inklusiven Stadtentwicklung oder Sozialraumplanung. Um zu einer positiven Bewertung zu kommen, müssen mindestens zwei der drei Indikatoren erfüllt sein. In den Bereichen Bildung und Arbeit wird die Herstellung von Inklusion am Bekenntnis zur Abwendung von Förderschulen bzw. Werkstätten als Sondereinrichtungen gemessen.

Um in dieser Spalte („Inklusion“) zu einem „Ja“ zu kommen, muss in allen drei Bereichen (Wohnen, Bildung, Arbeit) eine positive Bewertung erreicht sein.

  • Bund: nein
  • Baden-Württemberg: nein
  • Bayern: nein
  • Berlin: nein
  • Brandenburg: nein
  • Bremen: ja
  • Hamburg: nein
  • Hessen: nein
  • Mecklenburg-Vorpommern: nein
  • Niedersachsen: nein
  • Nordrhein-Westfalen: nein
  • Rheinland-Pfalz: nein
  • Saarland: nein
  • Sachsen: nein
  • Sachsen-Anhalt: nein
  • Schlewsig-Holstein: nein
  • Thüringen: nein

Ist die Herstellung von Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr ein erklärtes Ziel?

Als Indikatoren der Herstellung von Barrierefreiheit im ÖPNV wurden herangezogen:

1. Herstellung von Barrierefreiheit von Haltestellen und Fahrzeugen sowie des barrierefreien Zugangs zu Informationen (Tickets, Fahrpläne, etc.);

2. ein klares Bekenntnis zur Herstellung uneingeschränkter Barrierefreiheit des ÖPNV („umfassende“, „vollständige“ Barrierefreiheit des ÖPNV oder ähnliche Formulierungen);

3. Herstellung von Barrierefreiheit nach den Anforderungen des Personenbeförderungsgesetz („vollständige Barrierefreiheit“ des ÖPNV bis 01.01.2022, § 8 Absatz 3).

Um zu einer positiven Bewertung zu kommen, muss mindestens einer der drei Indikatoren erfüllt sein.

  • Bund: ja
  • Baden-Württemberg: nein
  • Bayern: ja
  • Berlin: ja
  • Brandenburg: nein
  • Bremen: ja
  • Hamburg: ja
  • Hessen: ja
  • Mecklenburg-Vorpommern: nein
  • Niedersachsen: ja
  • Nordrhein-Westfalen: nein
  • Rheinland-Pfalz: ja
  • Saarland: ja
  • Sachsen: nein
  • Sachsen-Anhalt: ja
  • Schlewsig-Holstein: nein
  • Thüringen: nein

Wird das Vorhaben formuliert, landesrechtliche Regelungen in mehr als einem Sektor auf die Vereinbarkeit mit der UN-BRK zu prüfen?

  • Bund: nein
  • Baden-Württemberg: nein
  • Bayern: nein
  • Berlin: nein
  • Brandenburg: nein
  • Bremen: nein
  • Hamburg: nein
  • Hessen: nein. Die Entscheidung Normprüfungen durchzuführen, ist nicht ausdrücklich erkennbar. Allerdings werden eine Novelle des Lehrerbildungsgesetzes, unter anderem angesichts veränderter Anforderungen im Bereich Inklusion, sowie die Überprüfung der Wahlrechtsausschlüsse von Menschen mit Behinderungen unter Vollbetreuung angekündigt.
  • Mecklenburg-Vorpommern: nein
  • Niedersachsen: nein. Die Entscheidung Normprüfungen fortzuführen, ist nicht ausdrücklich erkennbar. Allerdings werden gesetzliche Anpassungen an die Vorgaben der UN-BRK im Landeswahlgesetz angekündigt.
  • Nordrhein-Westfalen: nein
  • Rheinland-Pfalz: ja
  • Saarland: nein
  • Sachsen: nein
  • Sachsen-Anhalt: ja
  • Schlewsig-Holstein: nein
  • Thüringen: nein

Laufzeit

  • Bund: 2021–2025
  • Baden-Württemberg: 2021–2026
  • Bayern: 2018–2023
  • Berlin: 2021–2026
  • Brandenburg: 2019–2024
  • Bremen: 2019–2023
  • Hamburg: 2021–2026
  • Hessen: 2019–2024
  • Mecklenburg-Vorpommern: 2021–2026
  • Niedersachsen: 2017–2022
  • Nordrhein-Westfalen: 2017–2022
  • Rheinland-Pfalz: 2021–2026
  • Saarland: 2017–2022
  • Sachsen: 2019–2024
  • Sachsen-Anhalt: 2021–2026
  • Schlewsig-Holstein: 2017–2022
  • Thüringen: 2019–2024

5. Gewaltschutzvorkehrungen in stationären Wohneinrichtungen

Auswertung zu Regelungen zum Gewaltschutz in den Wohn- und Teilhabegesetze der Länder

Der rechtliche Rahmen für das stationäre Wohnen von erwachsenen Menschen mit Behinderungen wird durch die Heimgesetze der Bundesländer vorgegeben. Die einzelnen Gesetze unterscheiden sich in der Namensgebung (Wohn- und Teilhabegesetz, Pflege- und Betreuungswohngesetz oder dergleichen), ähneln sich aber grundsätzlich in Aufbau und Inhalt, indem sie Mindestanforderungen an die Qualität der Betreuung und Pflege in stationären Einrichtungen festlegen. Dabei werden auch konkrete Pflichten der Einrichtungsträger als Leistungserbringer formuliert. Ob die Einrichtungen die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen einhalten, wird durch die zuständige Aufsichtsbehörde („Heimaufsicht“) kontrolliert.

Eine Auswertung der Gesetze in den 16 Ländern zeigt: In nur wenigen Bundesländern sind vereinzelte Vorkehrungen zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Gewalt und Missbrauch vorhanden. Die folgende Grafik zeigt, welche Verpflichtungen der Einrichtungsträger zum Gewaltschutz derzeit in wie vielen Ländern gesetzlich verankert sind. Zusammenfassend ist festzustellen: Der Gewaltschutz wird in den Heimgesetzen der Länder noch zu wenig berücksichtigt. Daher sollten die landeseigenen Gesetze bei anstehenden Reformen um konkrete Schutzvorkehrungen ergänzt werden. Damit tragen die Landesgesetzgeber dazu bei, ihre menschenrechtliche Schutzpflicht gegenüber Bewohner*innen im stationären Wohnen zu erfüllen.

Themenseite „Frauen mit Behinderungen“

Diagramm zum Gewaltschutz (Stand 2018)

Welche Verpflichtungen zum Gewaltschutz sind derzeit in wie vielen Bundesländern im Heimgesetz verankert?

Gewaltschutzvorkehrungen in den Wohn- und Teilhabegesetzen der Bundesländer

Umsetzung der UN-BRK als Gesetzesziel

Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt

Schutz vor Gewalt als Gesetzesziel

Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz

Maßnahmen zur Gewaltprävention

Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen

Meldepflicht bei besonderen Vorkommnissen

Brandenburg, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Einsetzen von Frauenbeauftragten

Hamburg, Rheinland-Pfalz, Thüringen

Hinweis auf Beratungs- und Beschwerdestellen

Brandenburg, Berlin, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig Holstein, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt

Betreiben eines internen Beschwerdemanagements

Brandenburg, Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig Holstein, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Konzepte zur Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen

Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen

Teilhabe als Gesetzesziel

Hamburg, Hessen, Thüringen

Publikationen zu diesem Thema

Ansprechpartner*in

Peter Litschke

Policy advisor and researcher

Telefon: +49 30 259 359 - 457

E-Mail: litschke(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Dr. Leander Palleit

Gleichstellungsgesetze & Wahlrecht

Telefon: 030 259 359 - 450

E-Mail: palleit(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Dr. Britta Schlegel

Koalitionsverträge & Gewaltschutz

Telefon: 030 259 359 - 450

E-Mail: schlegel(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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