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Geschlechtsspezifische Gewalt

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Geschlechtsspezifische Gewalt ist als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Die im Europarat zusammengeschlossenen Staaten haben 2011 mit dem „Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“, auch Istanbul-Konvention genannt, den bisher umfassendsten Menschenrechtsvertrag gegen geschlechtsspezifische Gewalt entwickelt. In Deutschland trat die Istanbul-Konvention am 1. Februar 2018 in Kraft.

Geschlechtsspezifische Gewalt ist Gewalt, die sich gegen eine Person aufgrund ihres biologischen oder sozialen Geschlechts richtet. Sie umfasst alle Formen von Gewalt, also körperliche, sexualisierte, psychische und wirtschaftliche Gewalt. Frauen sind zum Beispiel von sexualisierter und häuslicher Gewalt überproportional häufig, aber nicht ausschließlich betroffen. Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen wird als Mittel der Kriegsführung eingesetzt, findet tagtäglich im privaten Haushalt statt und in Situationen, die von struktureller Machtungleichheit und finanzieller Abhängigkeit geprägt sind.

Der Begriff Frau schließt dabei explizit Mädchen unter 18 Jahren ein (Artikel 3 f.). Zentrale Zielgruppe aller Maßnahmen sind damit alle heterosexuellen, lesbischen, bisexuellen Frauen und Mädchen. Das umfasst alle Menschen, die sich als Frau identifizieren, zum Beispiel auch intergeschlechtliche und trans Frauen und Mädchen (sowie nicht binäre Personen).

Die Umsetzung der Istanbul-Konvention verlangt eine Vielzahl an staatlichen Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Intervention, Schutz und Sanktion. Die Verpflichtungen richten sich an staatliche Stellen auf der Bundesebene sowie in den Ländern und Kommunen. Insgesamt weist die Konvention der Zivilgesellschaft eine starke Rolle im Umsetzungsprozess zu. Deutschland hat bereits eine Vielzahl der Verpflichtungen aus der Konvention umgesetzt. Für die Reform des Sexualstrafrechts 2016 mit der einstimmig beschlossenen Umsetzung des Prinzips „Nein heißt Nein“ war auch die Istanbul-Konvention ein wichtiger Impulsgeber.

Die Konvention formuliert zahlreiche, teilweise sehr konkrete Verpflichtungen − hier bleibt noch einiges zu tun. Um den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern, ist vor allem ein flächendeckendes Angebot an Unterstützungs- und Hilfeleistungen notwendig. Insbesondere Frauen mit Behinderungen, Migrant*innen, Asylsuchende, wohnungslose Frauen und Frauen ohne Papiere haben es besonders schwer, Schutz vor Gewalt einzufordern, und brauchen ein umfassendes niedrigschwelliges und diskriminierungsfreies Hilfesystem, um zu ihrem Recht zu kommen.

Im August 2020 hat Deutschland den ersten Staatenbericht an die Expert*innengruppe GREVIO (Group of experts on action against violence against women and domestic violence) gesendet. Die zehn- bis 15-köpfige Gruppe von Expert*innen überwacht die Umsetzung der Istanbul-Konvention durch die Vertragsstaaten. Im September und Oktober 2021 waren die Expert*innen erstmals in Deutschland vor Ort zu Besuch, um die Umsetzung des Übereinkommens zu prüfen. Im Oktober 2022 wurde der erste Evaluationsbericht zum Umsetzungsstand der Istanbul-Konvention in Deutschland veröffentlicht. Neben einigen positiv evaluierten Maßnahmen, wie die Sexualstrafrechtsreform, enthält der Bericht eine Reihe von teilweise vordringlichen Empfehlungen (siehe Zentrale Anliegen), die in Deutschland bisher noch nicht ausreichend umgesetzt sind.

Zentrale Anliegen

  • Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt als Priorität auf der politischen Agenda – insbesondere der Gleichstellungspolitik von Bund und Ländern
  • Koordinierte Strategien zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt durch Ausweitung der Aktionspläne auf Bundes- und Landesebene
  • Identifizierung bestehender Schutzlücken durch Evaluierung von Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie Auswertung bestehender Praxis- und Forschungsberichte
  • Förderung der Forschung zu Ausmaß, Formen und Folgen geschlechtsspezifischer Gewalt und zur Wirksamkeit ergriffener Maßnahmen
  • Einrichtung einer staatlichen Koordinierungsstelle zur Umsetzung der Aktionspläne

Rechtsprechungsdatenbank

Die Istanbul-Konvention

Übereinkommen des Europarats

Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“, die sogenannte Istanbul-Konvention, trat Anfang Februar 2018 in Deutschland als rechtlich bindendes Menschenrechtsinstrument in Kraft.

Ziele

Die Konvention verfolgt unter anderem die Ziele, Betroffene vor Gewalt zu schützen, einen Beitrag zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu leisten und die Möglichkeiten der Strafverfolgung zu verbessern (Artikel 1).

GREVIO

Eine zehn- bis 15-köpfige Gruppe von Expert*innen (Group of experts on action against violence against women and domestic violence, GREVIO) überwacht die Umsetzung des Übereinkommens durch die Vertragsstaaten. Der GREVIO-Ausschuss kann in Situationen schwerer oder systematischer Gewalt gegen Frauen auch Eiluntersuchungen vor Ort vornehmen.

Hintergrund

Im November 2022 wurde am Institut die Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt eingerichtet (zur Seite der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt). Das Institut setzt sich bereits seit vielen Jahren dafür ein, das Thema Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt in Praxis, Politik und Verwaltung zu verankern. Dazu gehört die Durchführung von Projekten, die Erarbeitung von Expertisen sowie die Beteiligung an Gesetzgebungsverfahren. Darunter hervorzuheben sind etwa:

  • das im Jahre 2015 formulierte Policy Paper zum Schutz von geflüchteten Frauen in Flüchtlingsunterkünften;
  • die Veröffentlichung einer umfassenden Analyse zum Inkrafttreten der Istanbul-Konvention im Februar 2018 zu den Inhalten der Konvention und den sich hieraus ergebenden Folgen für Politik und Praxis;
  • die Beteiligung an den Reformverfahren zum Sexualstrafrecht durch Gutachten, Stellungnahmen sowie Teilnahme an Expert*innenanhörungen;
  • die Durchführung des Projekts „Artikel 25 Istanbul-Konvention: Akutversorgung nach sexualisierter Gewalt“ zur medizinischen und rechtsmedizinsischen Versorgung von Betroffenen von sexualisierter Gewalt zwischen 2019 und Juni 2020. Hierzu hat das Institut gemeinsam mit dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe eine Expertise zur diskriminierungsfreien medizinischen, rechtsmedizinischen und psychosozialen Versorgung für Betroffene von sexualisierter Gewalt erstellt und Empfehlungen für die Umsetzung von Art. 25 in Deutschland formuliert;
  • die Erarbeitung eines Konzepts für ein systematisches und unabhängiges Monitoring zur Umsetzung der Istanbul-Konvention sowie der Konvention des Europarats gegen Menschenhandel in Deutschland im Rahmen der Planungs- und Erprobungsphase.

Publikationen zu diesem Thema

Ansprechpartner*in

Portrait von Müşerref Tanriverdi. Müşerref Tanriverdi hat dunkle, schulterlange Locken, trägt dunkle Kleidung und einen grauen Blazer und steht vor einer grauen Wand.
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Müşerref Tanrıverdi

Leitung der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt

Telefon: 030 259 359 – 307

E-Mail: tanriverdi(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Lena Franke

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 - 482

E-Mail: franke(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Konstantin Häusler
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Konstantin Häusler

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Telefon: 030 259 359 – 301

E-Mail: haeusler(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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Bettina Krestel

Projektassistentin

Telefon: 030 259 359 - 28

E-Mail: krestel(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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Helene Middelhauve

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 – 305

E-Mail: middelhauve(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Portrait von Sarah Molter. Sie trägt das Haar offen und ein grüngelbes Oberteil mit Kragen.
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Sarah Molter

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 – 304

E-Mail: molter(at)institut-fuer-menschenrechte.de

Silvia Schürmann-Ebenfeld

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 - 486

E-Mail: schuermann-ebenfeld(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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Lina Schwarz

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 - 45

E-Mail: schwarz(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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