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VG Berlin, 17.08.2022, Az. 31 K 305/20 A

VG Berlin, Urteil vom 17.08.2022, Az. 31 K 305/20 A

Orientierungssätze

I. Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin stellt in seinem Urteil vom 17.08.2022 fest, dass in Fällen geschlechtsspezifischer Verfolgung nicht zu hohe Anforderungen an das in Buchstabe b von § 3 Abs. 1 Nr. 4 Asylgesetz (AsylG) verankerte sogenannte externe Element gestellt werden dürfen. Die Norm müsse im Lichte des Art. 60 Abs. 1 der Istanbul-Konvention ausgelegt werden, wonach die Vertragsparteien verpflichtet sind, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechts als eine Form der Verfolgung anerkannt wird. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsmaßnahmen werde daher die Zielgruppe als soziale Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG indiziert. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei der Gruppe der Frauen um eine große Bevölkerungsgruppe handele. Denn in vielen Ländern bestehe eine abgegrenzte Identität aufgrund einer traditionell-patriarchalischen Gesellschaftsordnung, die Frauen als minderwertig ansehe.

II. In dem Fall hatte eine Frau aus Guinea auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft geklagt. Sie war in Guinea von Angehörigen des Militärs entführt, mehrfach vergewaltigt und schließlich in die Zwangsprostitution bzw. zur sexuellen Ausbeutung ins Ausland verkauft worden.

III. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, § 3a Abs. 2 Nr. 6 AsylG, Art 60 Istanbul-Konvention.

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