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Klimawandel: Menschenrechte von immer größerer Relevanz

© iStock/Marc Bruxelle

Stürme, Überschwemmungen und Dürren - immer mehr Menschen verlieren ihr Leben oder ihre Existenzgrundlage durch extreme Wetterereignisse. Die Folgen des Klimawandelns werden von immer größerer menschenrechtlicher Relevanz und somit auch die Verpflichtung der Staaten, Menschen vor den Auswirkungen zu schützen. Nina Eschke spricht im Interview über die Bedeutung der Menschenrechte in der Klimadebatte, die Ergebnisse der Klimakonferenz in Glasgow (COP26) und staatliche Einschränkungen von Klimaprotesten.

Menschenrechte spielten in der Debatte um die Folgen des Klimawandels bis vor einigen Jahren kaum eine Rolle. Wie hat sich das seit dem Pariser Klimaabkommen geändert?

Nina Eschke: Das Pariser Klimaabkommen von 2015 enthält erstmals menschenrechtliche Bezüge. Es sieht vor, dass Staaten nationale Strategien entwickeln sollen, um die Menschen und ihre Lebensgrundlagen zu schützen. Staatliche Klimaanpassungsmaßnahmen müssen geschlechtergerecht, partizipativ und transparent ausgestaltet und umgesetzt werden. Auf der Klimakonferenz in Katowice im Dezember 2018 wurden Richtlinien zur Umsetzung des Pariser Abkommens vereinbart. Sie sehen vor, dass Staaten ihre Klimapolitiken an menschenrechtliche Prinzipien und Standards ausrichten müssen. Das bedeutet zum Beispiel, dass zivilgesellschaftliche Akteur*innen Zugang zu Informationen haben und sich beteiligen können, wenn es um Klimaschutz- oder Anpassungsmaßnahmen geht, und dass Staaten Rechenschaft über die ergriffenen Maßnahmen ablegen.

Haben menschenrechtlichen Aspekte bei der 26. Klimakonferenz in Glasgow eine Rolle gespielt?

Eschke: Das Pariser Abkommen stellt klar: Maßnahmen gegen den Klimawandel sollen an den Menschenrechten ausgerichtet werden. Dies hätte die Richtschnur für die Verhandlungen der Vertragsstaaten in Glasgow sein müssen. Auf der Klimakonferenz wurden nur minimale Fortschritte für eine menschenrechtsbasierte Umsetzung des Pariser Abkommens erreicht. Aktuelle Entwicklungen im UN-Menschenrechtsrat, wie die Anerkennung des Menschenrechts auf eine gesunden Umwelt, haben die Vertragsstaaten nicht berücksichtigt.

Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Klimakonferenz aus menschenrechtlicher Perspektive?

Eschke: Was die Staaten für den Klimaschutz tun wollen, reicht nicht aus um negative menschenrechtliche Auswirkungen zu vermeiden. Die neu vorgelegten Klimaziele sind insgesamt  noch viel zu niedrig, um das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu halten.  Den Vertragsstaaten ist es auch nicht gelungen menschenrechtliche Vorgaben in den Umsetzungsrichtlinen für die Kooperationsmechanismen für Klimaschutz (Artikel 6), darunter der Handel von Emmissionzertifikaten, zu verankern. Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu einer menschenrechtsbasierten Klimapolitik gewesen. Denn nur so kann verhindert werden, dass es – wie in der Vergangenheit geschehen – etwa bei erneuerbaren Energieprojekten zu Zwangsumsiedlungen lokaler Gemeinschaften und damit zur Verletzung ihrer Rechte auf angemessenen Wohnraum, Nahrung und Gesundheit kommt.

Zu begrüßen ist, dass die Vertragsstaaten die Anpassung an den Klimwandel zukünftig stärker berücksichtigen wollen. Sie haben ein zweijähriges Arbeitsprogramm zum globalen Anpassungsziel aufgesetzt und wollen ihre Finanzierung für Klimaanpassung erhöhen. Das ist notwendig, denn die negativen Folgen des  Klimawandels  treten schon jetzt in allen Weltregionen auf, mit erheblichen menschenrechtlichen Auswirkungen. Extreme Wetterereignisse treffen zunehmend auch den Globalen Norden, so wie die verheerenden Überschwemmungen in  Deutschland im Sommer 2021.

Gibt es positive Schritte auf dem Weg hin zu einer menschenrechtsbasierten Klimapolitik?

Eschke: Im Oktober 2021 richtete der Menschenrechtsrat in Genf ein Mandat für eine*n Sonderberichterstatter*in zu Menschenrechten und Klimawandel ein. Das Mandat soll sich u. a. damit beschäftigen, wie Menschenrechte in alle Bereiche der Klimapolitik integriert werden können und dazu gute Praxis-Beispiele aufzeigen. Das Mandat bündelt damit die Zuständigkeit für das weite Thema Klimapolitik und kann Staaten mit  entsprechenden Empfehlungen unterstützen. Darüber hinaus erkannten die Staaten im Menschenrechtsrat das Recht auf eine gesunde Umwelt als universelles Menschenrecht an und verabschiedeten mit großer Mehrheit eine entsprechende Resolution. Diese fordert Staaten dazu auf, eine entsprechende Politik umzusetzen und sich zu erfolgreichen Maßnahmen auszutauschen.

Zivilgesellschaftliches Engangement spielt in der Klimapolitik eine große Rolle, wird aber weltweit immer wieder erschwert. Welche Einschränkungen finden hier statt?

Eschke: In vielen Ländern der Welt werden friedliche Demonstrationen aufgelöst oder gar nicht erst zugelassen, zivilgesellschaftliche Organisationen geschlossen, Umwelt- und Klimaaktivist*innen bedroht.

Auf der UN-Generalversammlung im Oktober 2021 in New York stellte der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit seinen jüngsten Bericht vor. Er dokumentiert die vielfältigen Einschränkungen des Rechts auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im Kontext von Protesten für mehr Klimagerechtigkeit.

Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit kommen auch in Deutschland vor. Sie werden – anders als in vielen anderen Ländern – im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren vorgenommen; Beschränkungen und Verbote unterliegen unabhängiger gerichtlicher Kontrolle. Dass es auch in Deutschland wünschenswert wäre, zivilgesellschaftliches Engagment für eine engagierte Klimapolitik stärker zu fördern, hat das Institut in einer Eingabe an den UN-Sonderberichterstatters deutlich gemacht.

(Laura Geuter)

Zur Person

Nina Eschke ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut. Sie arbeitet zu den Themen Klimawandel / Umwelt und Menschenrechten im internationalen und nationalen Kontext.

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Ansprechpartner*in

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Nina Eschke

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: 030 259 359 - 466

E-Mail: eschke(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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