Deutschland hat eine zentrale Verpflichtung des Übereinkommens − einen eigenen Straftatbestand einzuführen − bisher nicht umgesetzt. Als Begründung hierfür wurde nach der Ratifizierung und erneut im Juli 2020 angeführt, dass dies aufgrund bestehender Straftatbestände wie zum Beispiel Freiheitsberaubung, Geiselnahme oder erpresserischer Menschenraub rechtlich nicht erforderlich sei.
Der Ausschuss gegen das Verschwindenlassen stellte jedoch fest, dass die angeführten Einzelstraftatbestände und Rechtsnormen dem spezifischen Unrechtsgehalt der multiplen Menschenrechtsverletzung des gewaltsamen Verschwindenlassens und den Vorgaben aus Artikel 2 und 4 des Übereinkommens nicht gerecht würden. Er forderte Deutschland auf, diese Verpflichtung erneut zu prüfen und dem Ausschuss bis März 2020 zu berichten, wie man diese umsetzen werde.
Der Ausschuss beriet am 22. März 2023 in öffentlicher Sitzung erneut mit der deutschen Delegation über diese Position und weitere Informationen zur Umsetzung des Übereinkommens in Deutschland. Das Deutsche Institut für Menschenrechte und zwei Nichtregierungsorganisationen hatten hierzu Stellungnahmen beim Ausschuss eingereicht. Die Bundesregierung vertrat in dieser Sitzung erneut die Auffassung, dass man einen eigenen Straftatbestand nicht für erforderlich halte. Die Ausschussmitglieder machten hingegen sehr deutlich, dass 13 Jahre nach Ratifizierung eine vollständige Umsetzung der Verpflichtungen aus Artikel 2 und 4 der Konvention überfällig sein.
Im Zusammenhang mit der Reform des Völkerstrafgesetzbuches hat das Bundesministerium der Justiz im September 2023 einen Entwurf für einen Straftatbestand des „Verschwindenlassen von Personen“ im Strafgesetzbuch vorgelegt, der noch vor Jahresende in die parlamentarische Beratung gegen soll.