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EuGH, 16.01.2024, Rs. C-621/21

EuGH, Urteil vom 16. Januar 2024, Rs. C-621/21, WS gegen Bulgarien

Orientierungssätze

I. In einem Vorabentscheidungsverfahren entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 16.01.2024 insbesondere darüber, dass sowohl die Frauen eines Landes insgesamt als auch enger eingegrenzte Gruppen von Frauen, abhängig von den im Land herrschenden Verhältnissen, nach Art. 10 Absatz 1 d) der Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95) als eine soziale Gruppe im Sinne eines Verfolgungsgrundes angesehen werden können. Dies ist der Fall, wenn sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexualisierter Gewalt oder häuslicher Gewalt, ausgesetzt sind. Sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt, kann ihnen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt werden, insbesondere wenn sie tatsächlich Gefahr laufen, getötet zu werden oder Gewalt zu erfahren.

II. Der EuGH stellt klar, dass die RL 2011/95 unter Heranziehung von Artikel 60 Absatz 1 der Istanbul-Konvention auszulegen ist, auch wenn der betreffende EU-Mitgliedstaat selbst, wie in diesem Fall Bulgarien, die Konvention selbst nicht unterzeichnet oder nicht ratifiziert hat. Artikel 60 Absatz 1 der Istanbul-Konvention gibt vor, dass Gewalt gegen Frauen zur Anerkennung eines Flüchtlingsstatus führen soll.

III. Artikel 10 Absatz 1, Artikel 9 Absatz 1, 2 und 3, Artikel 6 Buchst. C, Artikel 2 Buchst. F, Artikel 15 Buchst. a und b Qualifikationsrichtlinie; Artikel 267, 78 Absatz 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV); Artikel 1 Abschnitt A der Genfer Konvention; Artikel 2 und 60 der Istanbul-Konvention; Artikel 1 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW).

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