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Burkina Faso: Menschenrechte im Konflikt

Zu sehen von links nach rechts: Michael Windfuhr (DIMR), Bettina Engels (FU Berlin), Daouda Diallo (CISC) und Christof Retzlaff (AA) © DIMR/Stelzer

· Meldung

In Burkina Faso gibt es seit Jahren regelmäßig Angriffe auf die Zivilbevölkerung und Soldaten. Verantwortlich für diese Anschläge sind vor allem Gruppen, die mit Al-Qaida und mit dem Islamischen Staat in Verbindung stehen. Aber auch die vom Staat unterstützten Selbstverteidigungsgruppen und die burkinische Armee verüben Massaker an Zivilist*innen. 

Der Menschenrechtsaktivist Daouda Diallo setzt sich für die Aufklärung der Massaker ein. Er fordert ein Ende der staatlichen Unterstützung der Selbstverteidigungsgruppen. „Diese helfen im Kampf gegen den Terrorismus kaum, im Gegenteil, sie heizen die Gewalt nur weiter an“, erklärte Diallo auf der 9. Werner-Lottje-Lecture am 24. Juni in Berlin. Wegen seiner Arbeit wird er immer wieder bedroht. Für seinen Einsatz für die Menschenrechte wurde er in diesem Jahr mit dem Martin-Ennals-Award für Menschenrechtsverteidiger*innen ausgezeichnet.

Diallo und das Collectif contre l'impunité et la Stigmatisation des Communautés (Kollektiv gegen die Straflosigkeit und Stigmatisierung der Gemeinden - CISC) verstehen ihre Arbeit explizit auch als Beitrag zum Frieden in Burkina Faso. Durch die Dokumentation von Fällen schwerster Menschenrechtsverletzungen und deren juristische Verfolgung will das Collectif verdeutlichen, dass es eine Alternative zu eskalierenden Gewaltspiralen gibt.

Vernachlässigte Krise

Burkina Faso ist Schauplatz einer der am meisten vernachlässigten Krisen weltweit, erklärte Silke Pfeifer von Brot für die Welt zu Beginn der Veranstaltung. Fast zehn Prozent der knapp 21 Millionen Einwohner seien Binnenflüchtlinge. Obwohl die Gewalt im Land in den letzten sieben Jahren massiv zugenommen habe, erreiche sie nur selten die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit.

Auslöser der Gewalteskalation ist die starke Ausbreitung islamistische Gruppen vor allem im Osten und Norden des Landes, wo staatliche Sicherheitskräfte kaum präsent sind. 2019 gab es in Burkina Faso so viele jihadistische Übergriffe wie in keinem anderen Land der Sahelregion.

Als Reaktion bewaffnete die Regierung lokale Selbstverteidigungsgruppen. Durch ein 2020 erlassenes Gesetz können Freiwillige, die ihre Gemeinden verteidigen wollen, technisch und finanziell unterstützt werden. Diese Gruppen setzen ihre neuen Waffen aber keineswegs ausschließlich gegen Islamisten ein, sondern nutzen diese auch, um Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen – etwa um Land oder um natürliche Ressourcen – auszutragen.

Menschenrechtsarbeit gegen die eskalierende Gewalt

In der Folge kommt es immer wieder zu Massakern an Zivilist*innen, verübt durch Selbstverteidigungsgruppen, aber auch durch Islamisten und der burkinischen Armee. Das Massaker im Dorf Yirgou im Norden des Landes Anfang 2019, bei dem über 200 Menschen ermordet wurden, führte zur Gründung des CISC, dem Diallo vorsteht.

„Große Teile der burkinischen Zivilgesellschaft waren nicht nur vom Massaker selbst geschockt, sondern auch vom Schweigen der Regierung, Behörden und Medien zur tagelang andauernden Gewalt“, betont Diallo. Das CISC sei gegründet worden, um dieses Schweigen zu durchbrechen.

Machtvakuum führt zu Unsicherheit

Bettina Engels, Gastprofessorin für die Politik Afrikas an der FU Berlin, betonte, dass die Absetzung des ehemaligen Präsidenten Blaise Compaoré 2014 zu einem Machtvakuum geführt habe. Gerade in der Peripherie des Landes schafften es die Nachfolgeregierungen und das jetzt regierende Militär nicht, für nachhaltige Sicherheit und Stabilität zu sorgen. Zwar könne man nicht von einer vollständigen Abwesenheit staatlicher Governance sprechen, allerdings fehle es neben der Aufrechterhaltung der Sicherheit zusätzlich an der Bereitstellung grundlegender staatlicher Leistungen, vor allem in den Bereichen Bildung und Gesundheit.

Christof Retzlaff, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für den Sahel, bekräftigte das Ziel Deutschlands, die Staaten der Sahelregion bei der Transition zu stabilen Demokratien zu unterstützen. Deutschland verfolge dabei einen vernetzten Ansatz, der nicht nur auf militärischen Mittel beruhe, sondern auch die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe miteinschließe und das Ziel habe, Staatlichkeit zurückzubringen. Man sei sich durchaus bewusst, dass dadurch auch staatliche Strukturen gestärkt würden, die selbst in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Aber ohne externe Unterstützung drohe Burkina Faso völlig zu kollabieren. Nötig sei ein neuer Gesellschaftsvertrag zwischen Bevölkerung und Regierung, der auf der Einhaltung der Menschenrechte fuße und Vertrauen in den Staat wiederherstelle.

Menschenrechte ansprechen

Diallo forderte die internationale Gemeinschaft auf, Menschenrechtsverteidiger*innen in Burkina Faso zu unterstützen und schwere Menschenrechtsverletzungen deutlich anzusprechen. Ohne eine starke Zivilgesellschaft werde das Land keine Chance auf eine bessere Zukunft haben.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte und Brot für die Welt laden jährlich in Erinnerung an Werner Lottje, den Visionär der Menschenrechtsarbeit in Deutschland, zur Werner Lottje Lecture ein. Die Reihe diskutiert aktuelle Probleme und Herausforderungen des Menschenrechtschutzes, insbesondere des Schutzes von Menschenrechtsverteidiger*innen.

(B. Hildebrand, J. Icking / Brot für die Welt)

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