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Von Kindern mit einem Elternteil in Haft

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Wenn ein Elternteil eine Haftstrafe antreten muss, ist das für die Familie eine sehr belastende Situation. Wie können Kinder unterstützt werden, damit sie mit der Inhaftierung möglichst gut zurechtkommen?

Die Inhaftierung eines Elternteils bedeutet einen großen Einschnitt im Lebensalltag von Kindern. Das belegt auch die internationale COPING-Studie von 2012, die europaweit und auch in Deutschland Kinder Inhaftierter zu ihrer Lebenssituation befragte. Die Studie hat aber auch aufgezeigt, dass ein regelmäßiger Kontakt zum Elternteil in Haft die Belastung mindern kann.

Der Kontakt zum inhaftierten Elternteil ist für Kinder jedoch weit mehr als eine Möglichkeit, um mit der Haftsituation besser umgehen zu können. Es ist ihr Menschenrecht, das von allen staatlichen Stellen zu achten, zu respektieren und zu verwirklichen ist. Zu diesem Recht gehören regelmäßige persönliche Besuche – mindestens einmal die Woche – und auch der Kontakt über andere Kommunikationsformen, wie beispielsweise Telefonanrufe, Briefe oder Videotelefonie.

Weiß man, wie viele Kinder in Deutschland betroffen sind?

Genaue Zahlen gibt es leider nicht. So wird zum Beispiel nicht immer bei Haftantritt abgefragt, ob die Person Kinder hat. Schätzungen zufolge sind in Deutschland circa 100.000 Kinder und Jugendliche von der Inhaftierung eines Elternteils betroffen.

Die Monitoring-Stelle hat untersucht, wie familienfreundlich Justizvollzugsanstalten in Deutschland heutzutage sind. Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Wir haben letztes Jahr eine Online-Befragung durchgeführt und insgesamt 164 Justizvollzugsanstalten kontaktiert. 104 Anstalten haben an der Befragung mitgewirkt – was einer erfreulich hohen Beteiligung entspricht.

Die Umfrage zeigt, dass einige Justizvollzugsanstalten (JVA) sich mittlerweile auf den Besuch von Kindern einstellen und dafür entsprechende Vorkehrungen treffen beziehungsweise Angebote geschaffen haben. Das reicht von kindgerechten Sicherheitskontrollen über das Bereitstellen von Spielmaterial bis hin zu zusätzlichen Kontaktmöglichkeiten für Kinder wie Videotelefonie. Einige JVA gestatten sogar Kontakte außerhalb der Anstalt.

Leider sind die Kontakt- und Besuchsmöglichkeiten je nach Landesvollzugsgesetz und auch von JVA zu JVA sehr unterschiedlich. Während zum Beispiel einige Haftanstalten Kontakte über Telefon und Internet großzügig handhaben, rechnen andere Videokommunikation auf die Besuchszeiten an. Zusammenfassend kann man sagen, dass es noch ein weiter Weg ist, bis in Deutschland jedes betroffene Kind die Möglichkeit hat, den Kontakt zum inhaftierten Elternteil auf eine Weise aufrechtzuerhalten, die den Kinder- und Menschenrechten entspricht.

Wie häufig dürfen Kinder ihren Elternteil in Haft besuchen und wer bestimmt über die Häufigkeit der Besuche?

Geregelt sind Besuchszeiten für Insass*innen grundsätzlich in den jeweiligen Landesvollzugsgesetzen. Dabei variiert die vorgeschriebene Mindestbesuchszeit zwischen den Ländern stark – von monatlich einer Stunde unter anderem in Hessen und Saarland bis zu vier Stunden pro Monat in Brandenburg oder Sachsen. In einigen Bundesländern kann diese Mindestbesuchszeit aufgestockt werden, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern um zwei weitere Stunden für Kinder unter 14 Jahren. Zudem sehen fast alle Bundesländer unter bestimmten Bedingungen auch Langzeitbesuche für Familienmitglieder vor.

Was darüber hinaus Regelungen für Besuche von Kindern betrifft, ist es weitgehend den JVA überlassen, welche Kontaktmöglichkeiten sie in welchem Umfang anbieten. Es gibt keine einheitlichen bundesweiten Mindeststandards, die Besuchs- und Kontaktrechte von Kindern inhaftierter Eltern festlegen.

Wo besteht der größte Handlungsbedarf, damit Kinder mit einem inhaftierten Elternteil noch besser unterstützt werden?

Die UN-Kinderrechtskonvention macht hier klare Vorgaben. So hat jedes Kind das Recht auf eine regelmäßige persönliche Beziehung und unmittelbaren Kontakt zu seinen Eltern, soweit dieser Kontakt nicht dem Kindeswohl widerspricht. Das betrifft auch den Kontakt zwischen Kindern und inhaftierten Eltern. Um dieses Recht vollumfänglich umzusetzen, braucht es Anstrengungen von verschiedener Seite.

Wichtig ist zum Beispiel der Ausbau von Unterstützungsstrukturen auch außerhalb des Strafvollzugs. Denn familienfreundliche Angebote und mehr Besuchszeiten für Kinder sind zwar Maßnahmen, die wir alle sehr begrüßen – aber sie reichen nicht aus, um die kinderrechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Kinder haben vielfältige Bedarfe, sodass Unterstützung auch ihren Alltag in der Schule oder im Kindergarten sowie ihren Familien- und Freundeskreis umfassen sollte. Hier ist zum Beispiel die Kinder- und Jugendhilfe gefragt.

Der COPING-Studie zufolge kann eine Verzahnung von Hilfssystemen entscheidend dazu beitragen, Kinder von inhaftierten Eltern psychisch zu entlasten. Die in Deutschland bereits bestehenden Kooperationen zwischen Justizvollzugsbehörden, den Haftanstalten, der Kinder- und Jugendhilfe und weiteren Beratungsstellen sollten deshalb unbedingt weiter ausgebaut und gefördert werden.

Zur Person

Judith Feige arbeitet seit 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Von 2012 bis 2015 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen Projekten der Abteilung Menschenrechtsbildung des Instituts tätig.

Publikationen zu diesem Thema

Ansprechpartner*in

Judith Feige

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Phone: 030 259 359 - 462

E-mail: feige(at)institut-fuer-menschenrechte.de

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