Berlin. Anlässlich der gestrigen Entscheidung des Deutschen Bundestages zur Triage-Regelung im Kontext der Anpassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erklärt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte:
„Das jetzt beschlossene Gesetz wird den verfassungs- und menschenrechtlichen Anforderungen nicht gerecht. Es sieht vor, dass anhand der ‚aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit‘ entschieden wird, wer eine lebensrettende Behandlung erhält und wer nicht. Damit wird eine unverrückbare Grenze überschritten, die das Grundgesetz und die die Menschenrechte ziehen. Denn mit dieser Regelung wird menschliches Leben unterschiedlich bewertet.
Die Menschenwürde verbietet es aber gerade, eine Abstufung oder Bewertung menschlichen Lebens staatlich zu legitimieren. Vielmehr bekräftigt das Grundgesetz: Jedes Leben ist gleich viel wert. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens ist – gerade vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte – eine der grundlegendsten Wertentscheidungen unseres Grundgesetzes.
Das Gesetz eröffnet ein Einfallstor für die – ungewollte – indirekte Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und von alten Menschen bei der Entscheidung über lebensrettende Behandlung.
Wie dieses wichtige Thema im Bundestag behandelt wurde, in den Ausschüssen ebenso wie in der Plenardebatte, erfüllt uns mit großer Sorge. Das rasche Verfahren ebenfalls. Das Parlament hat diese Frage erst lange ignoriert und nun plötzlich eine Eile an den Tag gelegt, die der zutiefst ethischen Dimension einer Triage-Regelung nicht gerecht wird. Eine breite Debatte in Parlament und Gesellschaft, ein Ringen um eine gute Regelung wären unbedingt notwendig gewesen.
Es bleibt jetzt nur noch die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht, entweder durch Verfassungsbeschwerden Betroffener oder auf Antrag einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages im Wege der abstrakten Normenkontrolle. Damit kann ein Bundesgesetz auf seine Vereinbarkeit mit den Grund- und Menschenrechten geprüft werden. Dieses Instrument sollten die Länder und die Abgeordneten nutzen. Denn es darf nicht sein, dass erneut die Betroffenen dafür eintreten müssen, das Fundament unserer Verfassung, die Menschenwürde, zu verteidigen.“
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Menschen mit Behinderungen sind stärker von Diskriminierung betroffen und in ihren Teilhabemöglichkeiten eingeschränkt als Menschen ohne Behinderungen.
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