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„Gute Politik braucht gute Daten“ - 1. Tagung der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt

Lisa Paus: „Stärker als Gewalt. Auf welchem Fundament? Auf Wissen. Auf Analyse. Auf Daten.“© Photothek © DIMR

· Meldung

Am 9. Mai 2023 stellte sich die unabhängige Berichterstattungsstelle „Geschlechtsspezifische Gewalt“ des Deutschen Instituts für Menschenrechte im Rahmen der Tagung „Gute Politik braucht gute Daten erstmals einem größeren Fachpublikum vor. Politisches Handeln braucht belastbare Daten. Das war nicht nur das Thema des Abends, sondern ist Kern von Artikel 11 Istanbul-Konvention – dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Die Istanbul-Konvention richtet einen klaren Auftrag an die Vertragsstaaten, in regelmäßigen Abständen genau aufgeschlüsselte Daten zu erheben. Bislang fehlt es an einer menschenrechtsbasierten Erfassung und bundesweiten Zusammenführung aussagekräftiger Daten.

Die Schaffung der Berichterstattungsstelle ist daher ein wichtiger Schritt in der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Denn eine zentrale Aufgabe der Berichterstattungsstelle ist es, diese Lücke zu schließen und eine nachhaltige Datenerhebung zu gewährleisten, um auf dieser Grundlage Empfehlungen für die Politik zu formulieren. Die Resonanz auf die Veranstaltung war groß, anwesend waren rund 100 Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Über 200 Interessierte nahmen zudem via Livestream an der Veranstaltung teil.

„Stärker als Gewalt. Auf welchem Fundament? Auf Wissen. Auf Analyse. Auf Daten.“

Die große Bedeutung der Datenerhebung im Bereich geschlechtsspezifische Gewalt hob Bundesfamilienministerin Lisa Paus zu Beginn der Veranstaltung hervor: „Stärker als Gewalt. Auf welchem Fundament? Auf Wissen. Auf Analyse. Auf Daten.“ Lisa Paus würdigte die Arbeit des Instituts zur Konzeptentwicklung für eine unabhängige Berichterstattungsstelle sowie die Berichterstattungsstelle selbst, die im November 2022 bereits ihre Arbeit aufgenommen hat: Sie habe bereits herausragende Avantgarde- Arbeit geleistet, so die Ministerin. Es sei ihr erklärtes Ziel, die Arbeit der Berichterstattungsstelle durch eine gesetzliche Grundlage zu verstetigen.

„Die gute Nachricht: Deutschland ist auf einem sehr guten Weg eine systematische Datenerhebung zu schaffen und damit die Basis für ein menschenrechtsbasiertes Monitoring.“

Daten sind die notwendige Grundlage zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt. Das waren auch die zentralen Punkte in der Begrüßung durch die Direktorin des Instituts, Prof. Dr. Beate Rudolf, und der neuen Leitung der Berichterstattungsstelle, Müşerref Tanriverdi. Menschenrechtsbasiertes Monitoring, wie es die Istanbul-Konvention vorsehe, sei das Mittel für eine evidenzbasierte Politikgestaltung, bei der Wirkungen im Vordergrund stünden, so Tanriverdi. Denn Ziel sei es, wirksamen Schutz und Unterstützung von Betroffenen sicherzustellen.

Fragmentiert vorhandene Daten als Herausforderung

Aleid van den Brink, Mitglied der Expert*innen-Gruppe GREVIO (Group of experts on action against violence against women and domestic violence) des Europarats wies in ihrem Vortrag darauf hin, dass es die aktuelle Herausforderung der Arbeit der Berichterstattungsstelle sei, das fragmentiert vorhandene Wissen und die Verteilung der Informationen in verschiedenen Organisationen, Ländern sowie im Bund zusammenzuführen.

Daten als Schlüssel zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt

Der Umgang mit dieser Herausforderung wurde auf dem Podium „Gute Politik braucht gute Daten: Daten als Schlüssel zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt“ beleuchtet. Moderiert durch Nele Allenberg, Leitung der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa des Instituts, diskutierten Katja Grieger, Geschäftsführerin des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff e.V.), Andrea Frenzel-Heiduk, Leiterin des Referats Häusliche Gewalt, Prostituiertenschutzgesetz des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Ruth Niebuer, Leiterin des Referats Schutz von Frauen vor Gewalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Prof. Dr. Beate Rudolf Erwartungen an die Datenerhebung und -sammlung. Einigkeit herrschte auf dem Podium unter anderem darüber, dass es die Bereitschaft und Befähigung aller Datenhalter braucht, Daten in einer vereinheitlichten Form bereitzustellen, damit die Berichterstattungsstelle sie zusammenführen und analysieren kann.

Die Vorstellung der Arbeit der Berichterstattungsstelle und die Diskussion auf dem Podium stießen sowohl im Publikum als auch Online auf großes Interesse. Zugleich wurde die Frage gestellt, welches die nächsten Arbeitsschritte der Berichterstattungsstelle sind.

Veröffentlichung des Datenberichts

Die Berichterstattungsstelle sammelt und analysiert Daten von Bund, Ländern und Zivilgesellschaft. So sollen Entwicklungen in Umfang und Erscheinungsformen von geschlechtsspezifischer Gewalt sichtbar gemacht und gemessen werden, wie bestehende Maßnahmen wirken. Die Ergebnisse werden alle zwei Jahre in einem periodischen Bericht veröffentlicht. Zudem wird die Berichterstattungsstelle jedes Jahr ein Schwerpunktthema behandeln. Unmittelbar bevor steht die Veröffentlichung des Datenberichts. Darin werden die Ergebnisse einer systematischen Länderabfrage präsentiert. Er stellt fest, welche Daten vorliegen, welche nutzbar sind und welche nächsten Schritte notwendig sind, um ein kontinuierliches Monitoring zu gewährleisten.

Veröffentlichung der Rechtsprechungsdatenbank „ius gender & gewalt“

Ein weiterer wichtiger Baustein des Monitorings ist die Rechtsprechungsdatenbank „ius gender & gewalt“. Sie wurde am 9. Mai zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. ius gender&gewalt ist eine rechtsgebietsübergreifende Datenbank zu geschlechtsspezifischer Gewalt, welche Entscheidungen, themenspezifische europa- und völkerrechtliche Dokumente sowie weiterführende Texte sammelt und erstmals kostenlos zur Verfügung stellt. Ziel ist Rechtsanwender*innen die Arbeit zu erleichtern und somit zu einem an den Grund- und Menschenrechten ausgerichteten fachlichen Diskurs beizutragen.

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