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Sammelunterkünfte für geflüchtete Menschen: Gewaltschutz für Kinder kommt zu kurz

© UNICEF/UNI200006/Gilbertson VII Photo

· Pressemitteilung

Berlin/Köln. Der Schutz von Kindern vor Gewalt muss in Unterkünften für geflüchtete Menschen Standard werden, erst recht in Zeiten der Corona-Pandemie. Doch Sammelunterkünfte sind nach wie vor kein sicherer Ort für Kinder. Selbst die wenigen verfügbaren Daten zeigen, dass es hier häufig zu Gewalt kommt. Kinder können unmittelbar Opfer dieser Gewalt sein, aber auch als Zeug_innen mit Gewalt konfrontiert werden. Die vorhandenen Strukturen reichen noch nicht aus, um dem wirksam entgegenzutreten. Bund, Länder und Kommunen sollten deswegen die Unterbringung geflüchteter Menschen reformieren. Das ist das Fazit einer gemeinsamen Studie von UNICEF Deutschland und der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte, die heute veröffentlicht wurde.

Für die Studie befragten UNICEF Deutschland und das Deutsche Institut für Menschenrechte von Juni bis Oktober 2020 die 16 Bundesländer. Die kinderrechtliche Analyse der Selbstauskunft aller Länder zeigt unter anderem, dass zwar alle Bundesländer über Vorgaben für den Gewaltschutz verfügen, diese sich aber deutlich in ihrer Verbindlichkeit, ihrem Umfang und ihrem Geltungsbereich unterscheiden. Die Umsetzung der Gewaltschutzkonzepte wird bislang überwiegend nicht systematisch beobachtet, ausgewertet und unabhängig überprüft.

Die Studie zeigt, dass die Kinder- und Jugendhilfe in Sammelunterkünften oft erst bei akuter Kindeswohlgefährdung greift. Zudem gibt es für traumatisierte Kinder oft keine angemessene Unterstützung. Auch ist der Betreuungsschlüssel meist viel zu niedrig – vor allem in Bezug auf Kinder. Verschärft wird die Situation der Kinder durch die pandemiebedingten Einschränkungen.

„Jede Form von Gewalt hinterlässt bei Kindern Spuren. Kinder in Unterkünften für geflüchtete Menschen haben – wie jedes Kind – ein Recht auf den Schutz vor Gewalt“, sagte Sebastian Sedlmayr, Leiter der Advocacy- und Programmabteilung UNICEF Deutschland. „Mit Bund und Ländern haben wir in den letzten Jahren wichtige Fortschritte gemacht. Die aktuelle Untersuchung zeigt jedoch, dass noch gravierende Lücken bestehen und der Kinderschutz in zu vielen Aufnahmeeinrichtungen und Sammelunterkünften bis heute nicht gesichert ist. Auch und gerade in Zeiten von COVID-19 braucht jede Unterkunft in Deutschland klare Verantwortlichkeiten und Abläufe für den Schutz von Kindern.“

„Die Kinder- und Jugendhilfe verfügt über viele Potenziale, um Kinder und ihre Familien in Sammelunterkünften zu unterstützen und zu stärken. Diese Potenziale können bisher aber kaum genutzt werden. Hier müssen Landesregierungen und Jugendämter grundlegend etwas verändern, damit alle Angebote der Kinder- und Jugendhilfe auch in Sammelunterkünften in Anspruch genommen werden können“, sagte Claudia Kittel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Kinderrechtskonvention.

In der Studie sprechen sich die Herausgeber für einen künftigen Rechtsanspruch von Kindern und ihren Familien auf eine dezentrale Unterbringung in den Kommunen sowie für eine deutliche Verkürzung der Höchstverweildauer in Aufnahmeeinrichtungen aus. Nur so könne vermieden werden, dass Kinder über einen längeren Zeitraum in Sammelunterkünften leben müssen und den dortigen Gefahren ausgesetzt sind.

Solange Kinder in Unterkünften für geflüchtete Menschen leben, braucht es verbindliche Konzepte und Mindeststandards zum Schutz vor Gewalt, geschultes Personal, zusätzliche finanzielle Mittel wie auch eine unabhängige Kontrolle der Unterkünfte und Beschwerdemöglichkeiten für Kinder, so die Organisationen.

Deutschland hat sich verpflichtet, die Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) zum Gewaltschutz (Artikel 19) umzusetzen. Darunter fallen auch Kinder, die in Unterkünften für geflüchtete Menschen leben. Darüber hinaus verpflichtet das Asylgesetz seit 2019 die Bundesländer, den Schutz von besonders schutzbedürftigen Personen wie zum Beispiel Kindern zu gewährleisten – sowohl in Landesunterkünften als auch in kommunalen Unterkünften.

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